Wir sind eingeladen, bei Freunden von Roland: Jürgen und Felizitas. Zwei besondere Menschen:
Jürgen, mit weißem, langen Bart und weißem, langen Haar, wirkt ein wenig wie ein Prophet. Ein wenig gibt er sich auch so. Eine gewisse Weisheit besitzt er und aus seinen Augen blitzt es verschmitzt. Felizitas lebt mit ihm zusammen. Sie trägt langes, dunkles mit silbernen Fäden durchwirktes Haar, ist groß, schlank und wirkt fast ein wenig erhaben. Sie ist ein warmer Mensch. Ich schließe sie gleich ins Herz. Beide sind Künstler. Das Haus, von Jürgen selbst entworfen (nebenbei ist er Architekt), ist winzig und gemütlich. Ein Raum mit Küche und Hochbett, neben dran das Bad.
Es gibt italienisches Essen, von Jürgen höchstpersönlich zubereitet und leckeren Rotwein. Dazu Wasser, Brot und eine Tafel voller Musiker. Insgesamt sind wir zehn Leute, von denen acht musizieren. Die Stimmung ist fröhlich. Es ist behaglich, ich fühle mich immer noch zu Hause, woran Roland nicht ganz unbeteiligt ist.
Als wir uns verabschieden ist es wieder spät. Wieder sitzen wir Pfeife rauchend(!) vorm Kamin und unterhalten uns stundenlang.
Einen Wecker braucht es nicht, wir stehen mit der Sonne auf.
Am nächsten Tag, Roland will mich testen. Es geht in die Berge zum Braley Lake. Über kleine Bäche, Moorwiesen und Felsen geht es um den See, bis zum Top auf der anderen Seite. Von dort über den Grat wieder hinab. Es ist wundervoll hier oben. Ich fühle mich dem Himmel sehr nah, bin glücklich. Und es regt sich das Gefühl, nicht mehr zurück zu wollen.
Am Abend fahren wir dreißig Kilometer, nach Glengarriff, zu Harrington’s. Hier ist Music tonight. Als wir eintreffen ist noch nicht viel los, obschon einige Künstler schon spielen und singen. Mit der Zeit füllt es sich und Roland holt seinen Dulcimer aus dem Auto. Nachdem er ein Solo gespielt hat, begleitet er die anderen. Die Stimmung wird immer ausgelassener. Ginge es nach mir, ganz Irland stünde in den Charts. Eine Stimme großartiger als die andere und jeder scheint ein Instrument zu beherrschen. Arcodion, Dulcimer (der beeindruckt selbst die Iren), Gitarre, Percussion. Hach, es ist wunderbar, wie die ganze Kneipe singt, lacht, klatscht und tanzt.
Wanderung durch das Rabach Tal, einen Tag nach dem Barley Lake. Es gibt in Irland keine Wanderwege. Am Anfang ein Hinweisschild, dann muss man seinen Weg selbst suchen. Markus, ein Freund von Roland und seit zwanzig Jahren Wanderführer auf der Insel, begleitet uns mit seinem Hund Bella (fünf Monate alter Border Collie). Er kennt das Tal noch nicht. Doch er ist der Mann mit dem Garmingerät, was die Tücken der Topographie verrät.
Anfangs geht es über Moorwiesen, die zwischenzeitlich in Felsen übergehen, bis man am Ende des Tals auf den verfallenen Ort Rabach trifft. Hierzu gibt es eine Mordgeschichte, sie wird folgen.
Am Ende des Tals gibt es zwei Wasserfälle, die es hinauf zu steigen gilt. Wir entscheiden uns für den Rechten; den Weg hat Roland von einem alten Iren, den er ausgefragt hat. So geht es erst vierhundert Meter, über große Felsen, den Wasserfall hinauf. Am geländegängigsten ist Bella. Was für ein Hund!
Nach erklimmen des Wasserfalls, schwenken wir rechts ab. Jetzt steil ansteigende Moorwiesen, die wegen dem starken Gefälle eher trocken sind. Gleichwohl ist es nicht weniger anstrengend. Mehr als einmal danke ich in Gedanken für jede einzelne Sekunde Freeze, die genau die Muskeln gestärkt haben, die ich hier brauche: Waden, Oberschenkel, Rücken, Po. Trotzdem, ich schnaufe. Daher immer wieder die Frage, ob ich noch weiter kann. Das hier ist nicht die Waldau, wenn ich hier schlapp mache, kommt die Bergrettung. Aber, ich kann noch.
Auf dem Top angekommen, stellen wir fest, wir sind zu spät los gegangen. Den geplanten Weg zurück (den wir uns suchen müssten), der uns in der Nähe des Autos aus dem Tal spülen würde, fällt flach. Der Abstieg ist zu gefährlich, sollten wir in die Dunkelheit geraten. Die Sonne ist an manchen Ecken schon nicht mehr zugegen, und dann wird es empfindlich kalt.
Also wird es die „einfache Route“, die jedoch immer noch über schwieriges Gelände führt. Oft steil, mehrfaches kraxeln (öfter muss ich auf dem Hosenboden wo runter rutschen), felsig, glitschig, Sumpflöcher. Vier Stunden. Inklusiv Krämpfe (Roland) und Stürze (ich).
Am Ende kommen wir weit ab des Autos, an einer Schaffarm heraus. Wir sind fertig. Alle Drei.
Roland klopft am Farmhaus an, fragt die Bewonhnerin, ob sie uns gegen Cash zu unserem Auto bringt. „You just can walk.“ Sie traut dem einsamen Wanderer wohl nicht, also gesellen Markus und ich uns dazu. Markus erklärt nochmals die Lage und die Anwesenheit einer Frau, scheint ihre Sorgen zu zerstreuen. „Ok, just a minute, go to the car, i’ll help you.“
So kommt es, dass uns die Lady, July mit Namen, sieben Kilometer zu unserem Auto, ins Rabach Tal fährt und nicht mal Geld annehmen will. Wahnsinn! Hier muss man sich einfach zu Hause fühlen.
Verdienterweise fallen wir in O’Sullivan’s Pub ein. In meinen Schuhen steht das Wasser, der Rücken schmerzt, eine Muskeldehnung im Oberschenkel plagt mich. Nie hat ein Guiness so lecker geschmeckt.
Zum Schluss noch ein Lob vom Profi. Ich wachse ein Stückchen 🙂
Sechseinhalb Stunden hat die Tour gedauert. Ich war mehr als einmal an der Grenze und hab durchgehalten. Stolz schwellt meine Brust.
So vergehen die Tage. Manchmal sind wir nur. Ich habe mich selten so zufrieden und erfüllt gefühlt. Wir gehen in einem der Hotels schwimmen, in die Sauna und in diversen Lokalen bekommt man hervorragendes Essen. Wer anders denkt, sollte sich schleunigst einen aktuellen Reiseführer zulegen 😉